Widerrufsrecht gilt auch für Onlineapotheken
- OLG untersagt Versandapotheke den generellen Ausschluss des Widerrufsrechtes bei Arzneimitteln.
- Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel sollte als Ergänzung zu Vor-Ort-Apotheken erhalten bleiben.
- vzbv prüft 20 Versandapotheken und klagt in vier Fällen.
Internetapotheken dürfen das Widerrufsrecht von Verbraucherinnen und Verbrauchern bei Medikamentenbestellungen nicht generell ausschließen. Eine entsprechende AGB-Klausel des Portals iPill.de hat das Oberlandesgericht Naumburg nun für rechtswidrig erklärt. Auch das Verhalten beim Testkauf einer großen Menge von Schmerzmitteln war unzureichend. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
„Versandapotheken werden inzwischen von vielen Verbrauchern genutzt. Auch im Internet unterliegen Apotheken strengen Beratungs- und Aufklärungspflichten. Nach dem Urteil herrscht nun auch mehr Klarheit beim Widerrufsrecht“, so Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim vzbv.
Widerrufsmöglichkeit auch im Medikamentenversand
Der Betreiber der Internetapotheke iPill.de hatte in seinen AGB das Widerrufsrecht für apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel generell ausgeschlossen. Die Versandapotheke begründete diese Einschränkung unter anderem mit der Verderblichkeit von Medikamenten.
In der Klausel sah der vzbv eine ungerechtfertigte Beschränkung des gesetzlichen Widerrufsrechts im Fernabsatzhandel. „Verbraucher haben grundsätzlich das Recht, Bestellungen im Internet innerhalb einer bestimmten Frist zu widerrufen“, so Dünkel. Eine speziell für Medikamente geltende Ausnahme finde sich im Gesetz nicht. Der Senat schloss sich der Auffassung des vzbv an.
Medikamentenmissbrauch nur unzureichend nachgegangen
In dem Verfahren ging es auch um einen vom vzbv beauftragten Testkauf von 13 Packungen des Schmerzmittels Paracetamol. Dabei handelt es sich um das 25-fache der vom Hersteller angegebenen Tagesdosis. Die Zeugin musste nach Absendung der Bestellung lediglich mit „o.k.“ bestätigen, dass sie ausreichend über die „hohen pharmazeutischen Bedenken bei der regelmäßigen hohen Einnahme von mehr als 3 Packungen/Abführmittel/Schmerzmittel“ aufgeklärt wurde.
Der vzbv beanstandete hier, dass die Versandapotheke bei der Testbestellung einem möglichen Medikamentenmissbrauch nur unzureichend nachgegangen ist. Das Gericht bestätigte, dass eine formelhafte Belehrung nicht ausreiche. Bei der Bestellung einer derart ungewöhnlichen Menge eines Medikaments mit Missbrauchspotential hätte die Apotheke gezielt nachfragen und die Abgabe im Zweifelsfall verweigern müssen.
vzbv prüft 20 Versandapotheken
Das Verfahren ist Teil einer Rechtsdurchsetzungsaktion, bei der der vzbv insgesamt Internetauftritte und Geschäftsbedingungen von 20 Versandapotheken unter die Lupe genommen hat. Dabei ging es unter anderem auch um Aufklärung über kostenfreie Beratungsmöglichkeiten am Telefon. In den meisten Fällen zeigten sich die Apotheken einsichtig und gaben strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab. In vier Fällen hat der vzbv Klage erhoben.
Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel erhalten
Um die Gesundheitsversorgung in Deutschland sicherzustellen, ist eine flächendeckende und sichere Arzneimittelversorgung unabhängig vom Vertriebsweg unerlässlich. „Die Apotheke vor Ort ist eine wichtige Säule der Gesundheitsversorgung. Trotzdem stellt der Arzneimittelversandhandel angesichts einer fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitswesen eine sinnvolle Ergänzung für Verbraucher dar“, so Kai Vogel, Leiter Team Gesundheit und Pflege beim vzbv. „Der vzbv lehnt daher ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel ab.“ Ebenso setze sich der vzbv aber für die Einhaltung der geltenden rechtlichen Vorgaben im Sinne des Verbraucherschutzes ein.
Quelle: vzbv, Pressemitteilung vom 26.07.2017 zum Urteil 9 U 19/17 des OLG Naumburg vom 22.06.2017 (nrkr)